GUIDO BASELGIA
HELIOGRAVüREN UND LITHOGRAFIEN
Im Abtsaal vom 5.5.2013 bis 21.4.2014

Von der Erde

Mitte der neunziger Jahre macht sich der Fotograf Guido
Baselgia auf, seine Heimat, das Engadin zu erkunden. Auf
endlosen Wanderungen setzt er sich so lange der Bergwelt aus, bis diese ihre Fremdheit zurückgewinnt. Er entdeckt ein archaisches Stück Erde. Ein Hochland, in dem die Dinge ihre Eigenart, ihre Sinnlichkeit, aber auch ihre Rätselhaftigkeit voll entfalten. Später sucht er die Ebene – ein Tiefland, in dem kein Berg, keine menschlichen Spuren und keine dramatischen Erosionen dazu verleiten, Geschichten zu erzählen. Im Norden Finnlands und Norwegens, in der unendlich gleichförmigen, ereignislosen Gegend zwischen Polarkreis und Barentssee findet er eine unberührte Einöde, die jeden Betrachter auf sich selbst zurückwirft. Das Befragen der Landschaft wird zum Hinterfragen der Existenz. Was ist Wirklichkeit, was Einbildung?

Bald darauf ein weiterer Schritt ins Extreme: Baselgia reist in den bolivianischen Altiplano und in die chilenische Atacama-Wüste, wo die Erdoberfläche zum blossen Reflektor von Strahlungen aus dem All wird. Hier richtet er sein Objektiv ins Unendliche. Licht wird zum beherrschenden Thema seiner Fotografien. Das Licht, das einem Gegenstand seine Form, seine Farbe, seine Wirklichkeit gibt. Das Licht, das sich beim Einbruch der Dämmerung selbst die letzten Bilder nimmt und schliesslich die reale Landschaft ganz verschwinden lässt. Am Ende treiben ihn seine Fragen noch einmal zurück: 2006, mehr als zehn Jahre nach Beginn seiner Recherchen im Engadin, reist Guido Baselgia ein weiteres Mal in die arktische Landschaft des hohen Nordens, ins alpine Hochland und in die Wüstenzone im südlichen Wendekreis der Sonne.

Die Bilder hat er schon im Kopf. Bilder für das Unsichtbare im Sichtbaren, Bilder für die elementaren Kräfte, welche sich in verschiedenen Phänomenen offenbaren. Als Technik wählt er jetzt die Heliogravüre, ein Verfahren aus den Anfängen der Fotografie: er lässt die belichteten Filme auf eine Druckplatte übersetzen und nimmt ihnen so die reine Momenthaftigkeit. Die Magie der Dunkelkammer verbindet sich mit der Ausdruckskraft der Druckerschwärze. In dieser Form bringt Guido Baselgia die Essenz seiner Expeditionen zu Papier.

Vadsö, Morteratsch, Patacamaya: Vergessene Stellen einer dünnen Haut, die sich lesen lässt wie ein offenes Buch – das Werden und Vergehen eines Planeten.

Text: Peter Pfrunder, Direktor Fotostiftung Schweiz, Winterthur

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